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"Von allen Arten, sich Bücher zu verschaffen, wird als rühmlichste betrachtet, sie selbst zu schreiben."

                                      - Walter Benjamin -

 

 Alles hat seine Zeit

Lest bitte meinen ABGESANG 

 

 

 

 

 

 

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Hansi Hilbrich

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LESEPROBEN

 

Auszug aus TODES FLUG SCHICKSAL

Nächste Lesung: Freitag, 22.September 2023 in der Spreewaldbibliothek Burg

 

 

MAYDAY

 

Man merkt es sogar hoch über den Wolken; es ist ein überaus heißer Tag. Copilot Lothar liebt den Sommer nicht so sehr, wenn er fliegt, wie er ihn liebt, wenn er am Boden ist. In der düsteren Zeit ist genau diese Minute, wo die Maschine durch die Wolken stößt, die erbaulichste. Dann lehnt er seinen Kopf weit zurück und badet im herrlichen Licht, das den übrigen Erdenbürgern seiner Welt in diesen Momenten versagt bleibt. Und es gibt viele dieser Momente. Seine Welt ist klein, aber sein Tor in die große Welt steht immer offen, solange er noch Freude am Fliegen hat. Hier oben ist die Zeit keine andere, sie hat nur andere Dimensionen. Seit den Jahren, in denen er fliegt, hat ihn der Eindruck von Erhabenheit und zugleich von Verlorenheit hoch über der streitsüchtigen Welt nicht verlassen. Die Fliegerei, die ihn schon als Kind fasziniert hatte, gleicht noch immer keiner seiner Empfindungen. Wenn sich tief unter ihm  landkartengleiche Konturen abheben, die Städte, die Flussläufe, die Uferlinien, dann hat man eine Vorstellung von Demut, eine Einfühlung, wie klein und unbedeutend der Mensch ist, wie lächerlich seine Fehden, die er sich liefert. Hier oben ist alles friedlich, alles anders. Logisch, dass man auch anders zu denken beginnt. Diesen Wandel zu erleben, den er einst erstaunt durchgemacht hat, gleicht noch immer einem Wunder. Sein ständiges Hin und Her zwischen Erhabenheit und zugleich von Verlorenheit, weil keiner die Menschheit ernsthaft zu befrieden versucht, beschert ihm bisweilen schlaflose Nächte. Dennoch beglückt ihn sein Beruf. Wenn er hier oben ist, kann er die Welt vor sich sehen, wie sie sein könnte: Friedlich. Grenzenlos. Schützenswert.

Es ist 16.36 Uhr, als er bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Sie sind schon einige tausend Meter hoch. Im selben Moment kommt der Befehl zum Checken des hinteren Höhenleitwerks. In Höhe Beeskow meldet Lothar: Keine Trimmung möglich.

16.43 Uhr meldet der Flugkapitän seine Kursabweichung von 10º an den Tower. Eine Minute später funkt Heinz noch einmal der Flugsicherung SXF, Schönefeld, das Problem. Die Anweisung kommt unverzüglich: Zurück zum Heimatflughafen, um die Angelegenheit professionell lösen zu können.

»Cottbus ist in Sicht«, sagt der Kapitän.

»Umkehren!« heißt die erneute Anweisung. 

»Was ist mit Prag?«

»Umkehren! Oder möchten Sie das Problem allein am Hals haben?«

Der Chefpilot gibt sein: »Verstanden!«

 Rechts vor ihnen die Stadt Cottbus, an die sich das zarte Band der Spree wie ein Seidenschal im Frühlingswind schmiegt. Das Flüsschen, das erst in Berlin als Fluss erkennbar ist, kann zwischen dem Grün kaum wahrgenommen werden, würde sich nicht ab und zu die Sonne darin spiegeln. Anders dagegen die Flüsse in Afrika, die sehr breit sind, aber die meiste Zeit wasserlos die Landschaft durchfurchen.

Deutlich zu sehen ist der Militärflugplatz, der im Notfall immer eine Option wäre, aber zu dieser Zeit steht kein Notfall zur Debatte. Sieben Minuten später, nordöstlich von Cottbus, ist es für die Crew höchste Zeit, den für die Landung überschüssigen Treibstoff abzulassen. Der Befehl heißt: Overweight landing vermeiden! Also: Schnellablass.

 

In der Kabine bemerken die Passagiere die merkwürdige Schleife. Wer nicht schon döst, reckt seinen Kopf dem Bullauge zu.

»Wo seins mia denn«, ruft die Frau im Dirndl der Stewardess zu, die sich am Bug postiert hat, um ihre Anweisungen zu geben, Ruhe zu bewahren. Man müsse noch einmal zurück, es gebe ein kleines Problem, das in Schönefeld leichter zu beheben sei als in Burgas.

»Na des habts ihr ja moal wieder guart gmacht!« protestiert sie. »Net aomal fliegen kinnens gscheid.«

 »Wann werden wir in Burgas sein?«, ruft ein anderer Passagier. »Ich hoffe, ihr gebt in den Hotels Bescheid, nicht dass wir noch auf der Straße schlafen müssen.«

»Keine Sorge, wir geben in Burgas Bescheid. Die dort ansässigen Reiseunternehmen leiten dann das Nötige für Sie ein. Behalten Sie also Ruhe. «

»Tse, tse, tse, diese Sozis. So einfach kimmt ihr nit davoo. Nit so einfach! Doas täts ja bei uns nit gam. Wir wer'n uns beschweren.«

Petra Kraft öffnet ihre Augen und reißt sich los von ihren Gedanken, die so widersprüchlich gemischt sind, dass sie gar nicht weiß, wie sie zu sortieren sind. »Hätten die das nicht schon am Flugplatz merken können?«

»Fang du nicht auch noch an«, zischt Horst.

»Ich mein ja nur. Da hätten wir mit den Mädels noch schön essen gehen können. Wer weiß, wo die beiden schon sind.«

»Nix wie weg«, lacht Horst. »Hast doch die Unruhe gesehen. Julie konnte es gar nicht erwarten, so schnell wie möglich nach Berlin zu kommen.«

»Ja. Aber schön wär's schon gewesen«, sagt Petra, die verträumt nach draußen schaut. Mit einem Ruck dreht sie sich zu ihrem Mann. »Was ist das denn? Die verlieren ja das ganze Benzin!«

»Die lassen überschüssiges Kerosin ab, damit die Maschine nicht zu schwer ist für die Landung«, sagt ihr Mann, der sich vor der Reise über alles bestens informiert hat. »Das ist unrentabel, aber Vorschrift.«

 Zum Glück, denkt sie, hat sie ihr Staunen nicht ebenso laut und deutlich durch die Reihen posaunt, wie die Dirndl-Matrone. Gerade noch bemerken sie die Anzeige: fasten your seat belt und das Symbol: Den Sitz in die aufrechte Position bringen.

Auch das wird Vorschrift sein für die Landung. Petra Kraft klammert sich an ihrem Horst fest, ehe sich ihr Gesicht, wie das von 148 anderen Urlaubern zu einem Schrecken verzerrt. Die Chefstewardess gibt routiniert neue Anweisungen, aber Petra Kraft hört genau, wie der Kloß im Hals der Frau immer dicker wird, wie er höher steigt und der erhaben wirkenden Frau die bisher angenehm sichere Stimme raubt.

Um 16.59 Uhr in Höhe Rangsdorf funkt der Pilot an SXF: »Mayday. Mayday. Kurs 90 Grad. Unmöglich, Höhe zu halten!»

Bis dahin war von keinem größeren Schaden auszugehen.

 

 


 

LESEPROBE

 

Auszug: Prolog

 

 SCHOCKIERT

 

»Menschen halten sich Hunde, weil sie zu feige sind, selbst zuzubeißen!« Ein kluger Mann, der das sagte. Klar, hatte ich stets anderes im Kopf, als zuzubeißen. Wäre ich sonst da gelandet, wo ich war, als es Ajax noch nicht gab?

Jonny Flint schlägt mit der rechten Hand sanft auf seine Schenkel: »Ajax! Komm her! Hierher…! «

Der Hund gehorcht und legt seine Schnauze auf das Knie seines Herrchens, das ihn gerettet hat.

Was für ein schöner Tag. Die Sonne scheint, die Finken schlagen und die Meisen huschen aufgeregt von Ast zu Ast. Nestbau. Balztanz. Mein Gott, diese Tiere. Gott allein weiß, warum er seinen Priestern die Ehe verbietet.

Ajax trollt wieder davon. Unweit beschnüffelt er seelenruhig das kleine Hündchen, mit dem diese rotblonde Frau seit einiger Zeit an der Stadtmauer entlang spaziert, immer, wenn auch Jonny Flint mit Ajax im Park spielt. Ihm ist dabei nie ganz wohl. Die Bilder in seinem Kopf sind alles andere als beruhigend. Ihm ist nicht zum ersten Mal zumute, als kenne er diese Frau, deren flammendes Haar ihrem Zwergspitz gleicht. Hätte sie braunes Haar, wäre sie ihm vermutlich gar nicht aufgefallen, aber dieses Haar leuchtet vor der ehrwürdig braunen Mauer, und das erinnert ihn an etwas ganz Bestimmtes. Manchmal schaut er ihr heimlich nach, in seinem Kopf das Bild, wo rotblondes Haar im Nichts verschwindet. Heute dreht er sich nicht um, aber dieses Bild ist in seinen Kopf eingebrannt und gibt ihm eine Erinnerung, von der er nicht genau weiß woran. Etwas aus seinem alten Leben? Etwas aus einem Traum, der ihm bisweilen kommt und von dem er nicht weiß, was er davon halten soll? Man weiß bei so vielen Dingen im Leben nicht, was man von ihnen halten soll, aber dieser Traum verwirrt ihn. Wer könnte erwarten, dass ihn diese Frau nicht wütend macht? Wer weiß schon, was ein anderer Mensch im Schilde führt.

Wenn er sein Leben der letzten Jahre in einem Satz zusammenfassen müsste, würde er sagen: Einmal Hölle und zurück. Und dieses Zurück hat er Ajax zu verdanken. Alles könnte inzwischen wieder sehr schön sein… so schön bleiben. Ajax war seine Rettung. Er hat ihn abgebracht von seiner selbstzerstörerischen Phase. Was war er bloß für ein Idiot. Nicht mehr nur der Fachidiot. Beileibe auch nicht mehr der Hahnrei. Ein ausgewachsener Volltrottel per excellence war er geworden — unverschuldet.

Seit ein paar Minuten ist seine Zufriedenheit über sich und seinen Hund einer ganz anderen Sorge gewichen. Wann hatte er sich je im Leben gesorgt. Um wen? Um nichts! Nicht um Kristin, nicht einmal um sein gutes Leben, das man ihm zerstört hat. Gründlich.

Erst hatte er sich geärgert, an diesem Tag genau an dieser Platane vorbeigelaufen zu sein. Er geht sonst nie dort entlang. Warum heute? Um dieser Frau aus dem Wege zu gehen? Idiot du…!

Schon ein paar Schritte später hat er sich eingeredet: Es war ein Glück. Vielleicht war es das letzte dieser Plakate, die in dieser Stadt hängen. Stark anzunehmen, so vergilbt wie das Papier schon ist…

Jonnys Hand in der Tasche seiner Jacke ballt sich zur Faust. Beinahe zerknüllt er das vom Wetter verblichene Papier. Der Zorn ist zurück in seinem Gemüt. Zorn, den er fast ein Jahr lang auf alles und jeden hatte, und den er gepflegt hatte wie ein Baby, weil es ihm dann besser zu gehen schien. Vor einigen Minuten hatte er den Aushang entdeckt und von der Platane gerissen. Die Ecken, die jemand mit breiten Zwecken am Stamm befestig hatte, fehlen dem Fetzen jetzt.

Er ist nicht nur wütend. Er ist nervös. Das Blut in seinen Adern kocht. Einen solchen Zustand kennt er seit langem nicht mehr. Noch einmal zieht er das Papier heraus und faltet es auseinander. Was, wenn jemand glaubt, sein Ajax wäre dieser entlaufene Hund namens Einstein? Und man kann es glauben. Diese Ähnlichkeit! Aber sollte ein Hund ohne Grund mehr als fünfzehn Kilometer weit laufen…?

Wenn es dieser Einstein wäre, dann müsste er ausgebüxt sein, weil es ihm nicht gut ging wo er war. So sah er jedenfalls aus, damals nahe den Mülltonnen … Das war im Oktober. Jetzt haben wir Mai. Wenn ihr jetzt erst nach dem Hund sucht…! Pech, meine Lieben.

Ajax‘ kommt wieder zurück. Seine Schnauze auf dem Männerknie gibt Jonny jenes Gefühl, das er zuletzt vor langer Zeit hatte, als er Kristin noch liebte und noch gerne mit ihr geschlafen hat. Seitdem gab es ein solches Gefühl nie wieder. Der eklatante Unterschied zu Kristin: Wenn Ajax eines Tages ebenso wie sie aus seinem Leben verschwindet, geht er jämmerlich ein. Jämmerlich…

Jonny krault die dichte Wolle und nimmt Ajax bei den Ohren, wie es der Hund gerne hat. Ajax schließt die Augen und genießt.

 Es geht ihm gut. Es geht ihm doch gut bei mir, wer sollte etwas gegen mich und meinen Hund haben? Auch die Leute im Wohnblock werden sich wieder beruhigen.

Er beugt sich zu seinem Freund, den besten, den er seit Kindertagen hat. Sein Gesicht spürt Ajax‘ feuchte Nase: »Da soll doch einer kommen und sagen, du bist Einstein! Soll er doch kommen! Einstein, wie albern!«

Ajax‘ Augen sind plötzlich nicht mehr entspannt, seine Ohren stehen steif und sein Schwanz wedelt aufgeregt.

Einstein? Liegt das Lauern an Einstein…?

Jonny streichelt seinen Hund liebevoll zwischen den Augen. Er ist voller Zweifel, jetzt fühlt er etwas davon, wie verändert Ajax ist.

»Guten Tag.« Jonnys Kopf schnellt herum, als habe ihn jemand beim Stehlen ertappt. Diese Frau! War sie nicht längst mit ihrem abgebrochenen Zwerg im Nichts verschwunden?

»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich eine Weile zu Ihnen setzte.«

»Nö«, bringt Jonny heraus, rückt aber flugs ans andere Ende der Bank, was Ajax aus seinem Lauschen reißt.

»Ist gut Ajax! Alles gut.«

Diese Frau, denkt er immer wieder. Das kann doch nicht wahr sein… Aber im Handumdrehen kommt die Erleuchtung: Eine vom Amt, die mir Ajax nehmen will. Nur diese Eingebung zählt noch.

Langsam trottet Ajax wieder dem Hündchen nach, das unentwegt mit dem Schwanz wedelt.

»Ein schönes Tier, Ihr Labrador«, sagt die Frau. Sie richtet ihr Haar, als würde der Wind es zerzaust haben, dabei liegen die wundervollen Wellen auf ihrer Schulter, als habe sie ein Künstler drapiert. Sie streckt ihren Rücken, zupft an der Bluse unter der Jacke und räuspert sich ungeschickt.

»Ajax heißt er? Wie dieser griechische Held«, sagt ihre weiche, melodische Stimme, die wie seinem Traum enthoben wirkt, den er mal belächelt, mal in Sorge erinnert. Jetzt überwiegt das innere Lächeln: Wenn du wüsstest, warum mein Ajax Ajax heißt. Ist allemal besser als Einstein, denkt Jonny. Aber wohl ist ihm nicht dabei… Nicht mehr seit diesem Nachmittag. Dabei hat er noch nicht einmal eine Ahnung davon, was ihn bald erwartet.

 

 Ende der Leseprobe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ABGESANG

 

Seit 20 Jahren, quasi als rüstige Rentnerin,  schreibe ich unter dem Pseudonym Maxi Hill* mit Begeisterung. Nun, 80jährig und nach 40 Romanen und Erzählungen, ist die Zeit gekommen, mich zurückzuziehen.

Es war eine schöne Zeit, in der ich viele Dinge tiefgründig durchleben konnte, ja musste. Wenn man schreibt, muss man die Gegenmeinung zur eigenen viel tiefer in sich einsaugen und vorurteilslos verarbeiten, um Protagonisten und Antagonisten glaubwürdig zu machen. Alle meine Themen waren geeignet, meinen eigenen Standpunkt zu den Dingen des Lebens zu überprüfen; in einigen Fällen sogar zu korrigieren. Dabei ging es mir nie nur um die Dinge, es ging mir immer darum, wie die Dinge des Lebens auf einzelne Menschen wirken, auf ihr Leben, auf ihr Wirken, auf ihr Denken.

Auch die Lesungen mit guten, hilfreichen und bisweilen stimulierenden Kontakten schleichen sich nun aus meinem Leben.

Ich danke allen Lesenden oder auch den  nur Zuhörenden bei meinen Lesungen für das zwanzigjährige Interesse.

Es waren für mich zwanzig gute Jahre.

Herzlichst Maxi Hill – bürgerlich Hansi Hilbrich

 

 

*) mein Pseudonym hatte ich meinem ersten Buch „AFRIKA – Im Auftrag der Geier - zu verdanken. Es sollte kein Schutzwall für mich selbst sein, wohl aber für die in diesem Buch handelnden Menschen, die bei meinem Klarnamen leichter zu identifizieren gewesen wären als mit dem fiktiven Namen der im Buch handelnden Hauptperson Maxi.